Ein Gestalterleben lang begleitet den Präzisionsfetischisten eine ganz bestimmte Form: die Sinuskurve. »Ein Lehrer gab mir einst die Aufgabe, die Dolde einer Sonnenblume genau zu analysieren und neu auszulegen. Seit damals üben die Sinuskurve und die sogenannten krümmungssprungfreien Übergänge von Radien in Flächen eine geradezu sinnliche Anziehungskraft auf mich aus.« Die Natur als Lehrmeister? »Als Inspirationsquelle«, präzisiert Zemp und dreht dazu den Bleistift, seinen ständigen Begleiter, langsam zwischen Daumen und Zeigefinger. »Es war nie meine Intension, die Natur zu kopieren, jedoch stets, exakt hinzusehen, sie zu studieren, von ihr zu lernen und als Konklusion in meinen Gestaltungen neu zu interpretieren.« Zemps Formen scheinen streng geometrisch und verfügen trotz ihrer Reduktion aufs Wesentliche über eine emotionale Ausstrahlung. Ihre durchdachte Komplexität wird einem erst bei genauem Betrachten bewusst. »Ich setze mich stark mit der Wahrnehmung auseinander. Der Winkel, in dem Licht auf einen Gegenstand trifft, kann dessen Form komplett verändern.« Was er damit meint, veranschaulicht er an einem seiner Objekte, indem er es langsam vor der raumhohen Fensterfront, durch welche gleißende Sonnenstrahlen ins Atelier strömen, hin und her bewegt. »Ich liebe dieses Wechselspiel von Licht und Schatten, weil es meinen Objekten Leben einhaucht.«
Ist man verliebt, kommt es gut
Wie man eine Form auf ein Minimum reduziert und ihr dennoch eine Aura, eine Persönlichkeit verleiht, ist für Zemp eine essenzielle Frage. Überdesignte Formen erachtet er als verwirrend und teils voller kontroverser Botschaften. »Zu viele, unruhige Linien und Schnörkel lenken ab. Das Auge wird nicht geführt, ist verloren, weiß nicht, worauf es sich konzentrieren soll. Deshalb verzichte ich konsequent auf effekthascherischen, kurzlebigen Firlefanz.« Gutes Design zeichnet sich dadurch aus, dass es auch nach Jahren noch frisch und unverbraucht daherkommt. »Hier ist unsere Gilde gefordert. Das macht unseren Beruf so spannend, denn jede Herausforderung ist neu. Das hält einen wach und agil.« Zemps Erfolgsrezept: »Die Arbeit soll Freude machen. Wenn man in ein Projekt verliebt ist, kommt es gut.«